Er schaut mich an und ich schaue ihn an: Phänomenologie der Liebe

Mariéle Wulf

    Research output: Chapter in Book/Report/Conference proceedingChapterProfessional

    Abstract

    Der phänomenologischer Beitrag Edith Steins zur Liebe verdankt sich
    einer originellen Phänomenologie, die in einer aktiven Auseinandersetzung
    mit ihren Lehrern Edmund Husserl und Max Scheler entstanden
    ist und die später bereichert und vertieft wurde durch die Aufnahme
    religionsphilosophischer und theologischer Gedanken. Während Stein
    bei Husserl das reine phänomenologische Denkinstrumentarium lernte,
    führte Schelers lebensphilosophische Ausrichtung ihre Analysen zu
    einer größeren Lebensnähe. Das existentielle Moment ihres Denkens
    entlehnt sie nicht der Heideggerschen Existenzphilosophie – im Gegenteil:
    Sie stellt dem dominanten Nichts im Heideggerschen Frühwerk
    die Seinsfülle entgegen, die der Mensch anstrebt und mit der gerade
    die Liebe ihn beschenkt. Das Existentielle verdankt sich ihrer eigenen
    Erfahrung, die ihm Untertitel ihres Werkes »Ewiges und endliches
    Stein« erscheint als »Versuch eines Aufstiegs zum Sinn des Seins«.
    Im Folgenden werden die beiden Stein am deutlichsten beeinflussenden
    Denker vorgestellt (1), sodass ihr originelles Denken verortet werden
    kann. Phänomenologisches Denken verdankt sich der intersubjektiven
    Annäherung an den in seinem Wesen zu erkennenden Gegenstand,
    aber auch der zumeist einsam vollzogenen Analyse, die sich von allem
    Vorwissen befreit. Es lässt sich eine dreifachen Aussage über die Liebe:
    Liebe in Steins Werk herauskristallisieren: Liebe scheint auf als Seinsprinzip,
    als Erkenntnisprinzip und als Beziehungsprinzip. Der philosophische
    Durchgang zeigt dies für die irdische Lebenswirklichkeit
    (2); der theologische Durchgang verifiziert das Gesagte in der Gottesbeziehung,
    in der die Liebe schließlich ihre Vollendung findet (3). Die
    Durchgänge zeigen die Kontinuität in Steins Werk, das als Ellipse mit
    doppelte Mittelpunkt verstanden werden kann. Außerdem wird etwas
    Unerwartetes deutlich: Die drei Grundprinzipien der Liebe ergänzen
    und korrigieren sich wechselseitig, sodass nicht nur eine Analyse des
    Phänomens »Liebe« geboten wird, sondern eine Ethik der Liebe aufscheint.
    Original languageGerman
    Title of host publicationEdith-Stein-Jahrbuch 2018
    EditorsUlrich Dobhan
    Place of PublicationWürzburg
    PublisherEchter Verlag GmbH
    Chapter4
    Pages211-236
    Number of pages26
    Volume24
    Publication statusPublished - 1 Jun 2018

    Keywords

    • Edith Stein
    • Phenomenology
    • love

    Cite this